Zwischen Stadt und Land – Ordnung und Autorität im spätantiken Kleinasien

Zwischen Stadt und Land – Ordnung und Autorität im spätantiken Kleinasien

Veranstalter
PD Dr. Andreas Klingenberg, Universität zu Köln, Historisches Institut, Abt. Alte Geschichte
Veranstaltungsort
Erich Auerbach Institute for Advanced Studies, Weyertal 59 (Rückgebäude, 3. OG)
Gefördert durch
Fritz Thyssen Stiftung
PLZ
50937
Ort
Köln
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
24.11.2023 - 25.11.2023
Von
PD Dr. Andreas Klingenberg, Historisches Institut, Abt. Alte Geschichte, Universität zu Köln

Gefördert von der Fritz Thyssen-Stiftung findet in der Abteilung Alte Geschichte des Historischen Instituts in Köln eine internationale Tagung zum Stadt-Land-Verhältnis in den spätantiken Provinzen Kleinasiens statt. Im Mittelpunkt steht der wichtige und vieldiskutierte Aspekt von ‚Ordnung und Autorität‘, der von einem interdisziplinären Teilnehmerfeld aus verschiedenen Perspektiven diskutiert wird.

Zwischen Stadt und Land – Ordnung und Autorität im spätantiken Kleinasien

Kleinasien war eine Schlüsselregion in der östlichen Hälfte des Römischen Reiches; dies gilt in besonderem Maße für die Zeit der Spätantike. Hier ist die Forschung in den letzten Jahrzehnten erfreulich fruchtbar gewesen und hat viele Fortschritte zu Einzelfragen sowie zu einzelnen regionalen Kontexten erzielt. Eine der wichtigsten dieser Fragen, besonders im Kontext der Spätantike, ist die nach dem Verhältnis von Stadt und Land. Die Transformation von der spätrömischen zur frühbyzantinischen Zeit wird gerade auch an Veränderungen in den Städten in baulicher, administrativer, struktureller und ökonomischer Hinsicht und an einer damit in Wechselwirkung stehenden Verschiebung in der Kräfterelation zwischen Stadt und Land festgemacht. Während früher die Perspektive oft von den urbanen Zentren ausging, hat sich mittlerweile der Fokus in der Forschung deutlich erweitert, die seit einiger Zeit verstärkt auch die ländlichen Gebiete in den Blick nimmt.

Jedoch sind viele Fragen zum Verhältnis zwischen urbanen und ländlichen Kontexten nicht erschöpfend beantwortet und es bleibt einiger Spielraum für weitergehende Erkenntnissen. Ein markantes Problem stellt etwa die Schwierigkeit dar, die materiellen Hinterlassenschaften, gerade bauliche Veränderungen wie Spoliation und Umbau älterer Gebäude sowie die Aufgabe von Gebäudekomplexen oder ganzen Vierteln überzeugend und klar zu datieren. Mithin steht die Chronologie des Wandels als Ganzes zur Debatte, der kaum überall in gleichem Umfang und zur selben Zeit stattgefunden haben wird.

Die von der Fritz Thyssen-Stiftung geförderte Tagung an der Abteilung Alte Geschichte des Historischen Instituts in Köln knüpft an diese Debatte an und hat als Ziel, das Stadt-Land-Verhältnis in den spätrömischen bzw. frühbyzantinischen Provinzen Kleinasiens an einem wichtigen Aspekt näher zu untersuchen, nämlich ‚Ordnung und Autorität‘. Das berührt mehr Fragen als nur die nach den administrativen Strukturen (die jedoch auch von Bedeutung sind): Wie sehen die Autoritätsstrukturen insgesamt aus und welchen Veränderungen unterliegen sie? Wie haben sich in dieser Zeit neue Instanzen in den Städten wie auch in ländlichen Gemeinden entwickelt? Zu denken ist hierbei nicht nur an die ‚offizielle‘, d.h. politisch-administrative Hierarchie, sondern vor allem auch an ‚inoffizielle‘ Einflussverhältnisse wie persönliche Netzwerke einzelner Personen oder Familien. Von zentraler Bedeutung sind hierbei ebenso Interessens- und Autoritätskonflikte. Auch welche Rolle größere Herausforderungen wie die Pest oder die Kriege mit den Sāsāniden spielten, ist als ein wesentlicher Aspekt weiter zu untersuchen, nicht zuletzt auf lokaler Ebene. Wichtig ist zudem die Frage, wie in solchen Krisenzeiten die Ordnung aufrechterhalten wurde und welche nichtstaatlichen Autoritäten möglicherweise eine verstärkte Rolle spielten. Bekanntlich wuchsen insbesondere den Bischöfen in der Spätantike öffentliche Aufgaben zu, die deutlich über ihre religiöse Funktion hinausreichten. Wie sieht es in der Umbruchsphase des 6. und 7. Jhs. n. Chr. aus? Kann man von einer starken Elite als offizielle oder auch inoffizielle Autorität sprechen oder sind auch Ansätze zu einer Selbstorganisation zu erkennen, etwa auf lokaler oder speziell auf ländlicher Ebene?

Eine Hauptproblematik für die Untersuchung dieser Fragen besteht in der Quellenlage. Es gibt einige Aussagen in literarischen Quellen mit unterschiedlicher Tragweite; daneben ist aber vor allem danach zu fragen, wie sich die Autoritätsstrukturen im archäologischen und im epigraphischen Befund spiegeln. Freilich ist dieser epigraphische Befund für die spätere Zeit gering, auch wenn einige Inschriften bekannt sind und jeder neue Text weitere Facetten aufdecken kann. Archäologisch sind vor allem Surveys zum spätantik-frühbyzantinischen Baubefund zu verzeichnen, die jedoch oft auf einer eher unsicheren chronologischen Basis stehen, sowie Untersuchungen zu einzelnen Gebäuden oder Gebäudekomplexen, die über die örtlichen sozio-politischen Verhältnisse nicht immer viel besagen.

Wie kann man diesen Schwierigkeiten methodisch begegnen, um Antworten auf die hier beschriebenen Fragen zu erhalten? Auch dazu wird die Tagung mit ihrem interdisziplinären Ansatz zu neuen Erkenntnissen führen. Gerade die Diskussion der unterschiedlichen Perspektiven der Alten Geschichte, der Byzantinistik und der Archäologie, die zu durchaus verschiedenen Hypothesen und Erklärungsmodellen führten, verspricht in dieser Hinsicht fruchtbar zu sein.

Im Tagungsprogramm halten sich übergreifende und regional fokussierte Beiträge die Waage. So werden zum einen spezifische Stadt-Land-Konstellationen aus verschiedenen Teilen Kleinasiens mit ihren Besonderheiten vorgestellt und erlauben darüber den Vergleich sowie die Markierung wesentlicher Gemeinsamkeiten oder Unterschiede. Zum anderen nehmen weitere Beiträge die Ordnungs- und Autoritätsfrage in übergreifenden Fragestellungen in den Blick.

Programm

Freitag, 24.11.2023

11:00 Eröffnung

11:15-12:45 Sektion 1

Helmut Schwaiger/Nikolaus Schindel (Wien): Sardis, Ephesos und die Sasanidenzerstörung von 615/616 n. Chr.

Paweł Nowakowski (Warschau): Urban and countryside life in Nikomedia and Nikaia in Late Antiquity through the evidence of new inscriptions

14:15-15:45 Sektion 2

Stephen Mitchell (Berlin): Phrygia from Late Antiquity to Middle Byzantium: bridging the gap with Christian epigraphy

Alister Filippini (Chieti): Tra città e campagna: Hierapolis di Frigia e il suo retroterra rurale nella Tarda Antichità

16:00-17:30 Sektion 3

Lutgarde Vandeput (Ankara): Order and authority in Late Antique Asia Minor: A view from the Country Side. Pednelissos - A Case Study

Hugh Elton (Peterborough, Ontario): An Isaurian city and its villages: how the Late Roman city at Alahan managed its territory

Samstag, 25.11.2023

9:30-11:00 Sektion 4

Mark Humphries (Swansea): Other cities, other countrysides: late antique and early Byzantine Asia Minor in comparative perspective

Luke Lavan (Kent): Civic government by notables, 5th-7th c., chaotic or competent?

11:15-12:45 Sektion 5

Beate Böhlendorf-Arslan (Marburg): Archäologische Hinweise auf autoritäre Lenkungen der Transformationsprozesse in Kleinasien im 6. und 7. Jahrhundert

Philipp Niewöhner (Göttingen): Archäologische Evidenzen für lokale Organisation und Eigenständigkeit kirchlicher Ordnung und Autorität im spätantiken Kleinasien

14:00-15:30 Sektion 6

Dagmar Hofmann (Berlin/Köln): Christliche Autoritäten zwischen Stadt und Land: Zur Rolle der Mönche im spätantiken Antiochia

Andreas Klingenberg (Köln): Ordnung und Autorität im Spiegel spätantiker spätantiker christlicher Texte aus Kleinasien

16:00-17:30 Sektion 7

Ulrich Huttner (Siegen): Land und Stadt im Mäandertal: Die Spätantike zwischen Kontrolle und Kontrollverlust

Christoph Begass (Mannheim): Regionale Konflikte und der Zusammenbruch zentraler Autorität im spätantiken Kleinasien

17:30-18:00 Abschluss

Kontakt

andreas.klingen@uni-koeln.de

Redaktion
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